Viel erlebt – viel verpasst
Legimi
Manchmal braucht es einen Anstoß von außen, um ein Buch zu schreiben. Das gilt auch für diese Erinnerungen von Rudi Czerwenka. Und das kam so, wie er gleich zu Beginn seiner Memoiren berichtet, die er eigentlich erst gar nicht schreiben wollte: Als mein 75. Geburtstag heranrückte, meldete sich bei mir ein junger Journalist, um eine Würdigung für mich zu fabrizieren. Sein Chefredakteur hatte sich meiner erinnert, weil ihm, wie er mir später erzählte, bei seinem Berufsstart vor etlichen Jahrzehnten sein damaliger Vorgesetzter einen meiner Artikel vor die Nase gehalten und empfohlen hatte: „So musst du schreiben. So was wollen die Leute lesen.“ Der Volontär hatte eine moderne Kamera mitgebracht, lichtete mich in meinem engen Arbeits-, Raucher- und Schlafzimmer ein paarmal ab und begann, mich auszuquetschen: Was ich so alles getrieben, geschrieben, geleistet und verbrochen hätte. Dann stellte er mir eine Frage, die mich ein bisschen überraschte. „Und Ihr nächstes Buch?“ „Meine Memoiren“, antwortete ich, ohne lange zu überlegen. Es war mehr eine Gedankenlosigkeit, eine Art Ausrede. Doch warum eigentlich nicht? Einen größeren Leserkreis würde er mit diesem Werk zwar nicht erreichen. Doch einige Leute aus dem Kreis der Verwandten und Bekannten wären sicher neugierig darauf. Aber damit hatte Czerwenka tiefgestapelt. Denn auf den folgenden 70 Seiten lässt der Autor auf sehr persönliche Weise ein Leben und ein Vierteljahrhundert deutscher Geschichte lebendig werden, in dem er tatsächlich viel erlebt und auch manches verpasst hat. Dieses Leben begann am 4. April 1927 in ehemaligen Breslau, wo er wegen häufiger Krankheit in eine gesündere Gegend ausquartiert wurde. Er berichtet von seiner Schulzeit und vom Führerschein seiner Mutter und vom Leben auf dem Lande. Aber auch eine Frau Engelke, eine entfernte Verwandte von Karl May, dem Indianer-Schriftsteller kommt in seinen Memoiren vor. Dann kommt der Krieg, dessen Ende er am 17. April 1945 als Gefangener erlebt. Mit einem Trick schenkt er sich selbst die Freiheit und gelangt auf abenteuerliche Weise bis nach Jena, wo für Czerwenka ein neues, ganz anderes Leben beginnt, das ihn zunächst in eine amerikanische Feldbäckerei und in ein Hotel und dann zu zwei beruflichen Alternativen in Thüringen führt - Erzbergbau oder Polizei. Czerwenka ging zum Kreispolizeiamt und wurde bald darauf Volkspolizist und Kriminalist und dann Neulehrer und für drei Jahrzehnte Lehrer und schließlich Schriftsteller. Viel erlebt …
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