Im Gelben
Legimi
In seinem Nachwort macht der Literaturwissenschaftler Wolfgang Gabler der Schriftstellerin ein großes Kompliment: Ihre Geschichten seien eine gute Medizin als menschenfreundliche Geschichten. Mehr ist nicht zu sagen. Was sind das für Geschichten? Sie handeln von ihren Landsleuten, den Mecklenburgern. Sie zeigen, wie sie sind: Weitschweifige Erklärungen gibt es, nach Landessitte, nicht. „Wenn man anderswo jemanden nach dem Weg fragt, wird man gebracht und bekommt die halbe Lebensgeschichte des freundlichen Bringers noch gleich dazu. Macht man denn so etwas? Man macht es nicht! Man gibt Auskunft, wünscht einen guten Tag und damit hat sich das.“ Die Autorin hat Auskünfte bekommen und gibt sie weiter. Lebensgeschichten. Menschenfreundliche Lebensgeschichten. Das ist zum Beispiel „Im Gelben“, die dem Band den Titel gibt und die mit einem Herbstanfang beginnt: Nun ist er also doch gekommen, der Herbst. Und vier Wochen früher sogar, als die Menschen es ihm in ihren Kalendern vorschreiben. Dennoch sehnlichst erwartet. Der Siebenschläfer hatte seinem Namen mehr als alle Ehre gemacht und seinen heißen trockenen Junitag weit über die siebente Woche hinausgezogen. Und hatte doch schon im Vorfeld vierzehn Tage. Elf Wochen wohl hat das Land keinen Tropfen Wasser gehabt. Die Menschen sind müde geworden und haben sich nach anfänglich gierigen Sonnenbädern die verbrannte Haut an schattigen Plätzen gekühlt. Die Erde war spatenstichtief Staub. Nur Staub. Als der erste Regen endlich kam, stieß der Boden ihn zurück, sodass die Platzregentropfen wie kleine Springbälle tanzten. Jetzt ist es ausgestanden. Das Gelbe, denkt der alte Mann, ist wieder einmal ausgestanden. Nach Ansicht einer jungen Schriftstellerin sieht er aus wie „Der der alte Mann und das Meer“. Allerdings hat er kein Meer und reisen würde er auch nicht, wenn er jünger wäre. Nur einmal war er weggewesen und in einem heißen Sommer in sein gelbes Land heimgekehrt. Das war nach dem Krieg, und er hat alles mitgemacht, was unausbleiblich ist und ansonsten sein Tagewerk verrichtet. Was gibt’s da groß zu reden? Man sagt den Menschen nach, hier oben, sie seien stur, ein wenig unterkühlt und rückständig. Rückständig vor allem. Aber ob das so stimmt? Der alte Mann jedenfalls wird sein Tagwerk tun und vielleicht hundert Jahre zum Sterben brauchen. Braucht eben alles seine Zeit. Sie lässt sich nicht überrumpeln, wie die Jahreszeiten sich einen Dreck um den Kalender scheren. Es ist, wie es ist, was gibt’s da groß zu reden?
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