Elfriede oder ein Leben im 20. Jahrhundert
Legimi
Geboren am Ende des 19. Jahrhunderts, gestorben am Ende des 20., durchlebte Elfriede das letzte fast vollständig. Im wohlbehüteten Schoße einer bürgerlichen Familie aufgewachsen, konnte sie nicht ahnen, welche Strapazen ihr das Leben aufbürden würde: Zwei Weltkriege, eine geschiedene Ehe, Kinderlosigkeit, keine weitere anhaltende Beziehung zu einem Mann, Pflegejahre ihrer Mutter, die letzten zwanzig Jahre ihres eigenen Lebens im Pflegeheim. Reisen war bis in die 60-er Jahre keine Selbstverständlichkeit, sodass sie ihren Geburtsort Braunschweig kaum verlassen hat. Im Geiste tat sie es doch; ihr jüngster Bruder war hierfür verantwortlich. Er zog nach Uruguay im entfernten Südamerika. Somit breitete auch sie ihre Flügel aus, weitete ihren Horizont und wuchs in die Höhe. Wir lernen sie in diesem Werk nur indirekt kennen durch die Korrespondenz an sie beziehungsweise an ihre Mutter von verschiedenen Schreibern und im Verlaufe der Jahrzehnte. Die meisten Briefe stammen von ihrem jüngsten Bruder, beginnend aus seiner Studentenzeit, später aus dem entlegenen Südamerika. Es ist vor allem er, der sie mit neuen Aufgabengebieten betreut, die sie alle meistern wird. Aber noch weitere Männer spielen eine herausragende Rolle in ihrem Leben, der Ehemann, hier vor allem in der Zeit nach ihrer Scheidung, und Roland, ein junger italienischer Kriegsgefangener, neben anderen kurzen Männerbekanntschaften. Zum besseren Verständnis sind die Briefe mit den geschichtlichen Begebenheiten in Zusammenhang gebracht. Sie stellen letztendlich ein historisches Zeitdokument dar. Elfriede, eine Frau ohne besondere Ausbildung, sollte in ihren Fünfzigern reifen und dazulernen, wie durch einen Crashkurs geführt. Sie, die weder eine Wissenschaftlerin noch eine Nobelpreisträgerin war, die zu den Unzähligen gehörte, die nur im kleinen familiären Rahmen eine Leistung erbracht haben, die in keinem Geschichtsbuch honoriert wird, die dennoch unersetzlich und unentbehrlich ist für das Gedeihen und den Fortschritt der Menschheit, sie steht exemplarisch für all die anderen unerwähnten, vergessenen Menschen, die in ihrer reduzierten Umgebung von großer Bedeutung waren.
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