Das Haus an der Voldersgracht

Das Haus an der Voldersgracht

Legimi

Zugegeben, von einem der bekanntesten Maler des holländischen Barock kennt man nur knapp 40 Bilder. Zugegeben, von seinem Leben weiß man nicht sehr viel. Und dennoch gelingt es Ingrid Möller, das Leben dieses Jan Vermeer aus Delft und seiner Frau Catarina, oft auch Trijntjen genannt, in kräftigen und leuchtenden Farben zu malen. Alles beginnt mit einem schönen Fest, einem Hochzeitsfest: Hell und wärmend fällt das Sonnenlicht des Frühjahrstages durch die hohen Fenster, deren Scheiben in kleine bleigefasste Quadrate geteilt sind. Es fällt in einen Raum, in dem alles blitzsauber ist - vom schachbrettartigen Fliesenfußboden bis unter die braune Balkendecke. Es lässt den Wein in den bauchigen Gläsern funkeln, die kostbaren Seidenroben schillern und die Augen der Gäste strahlen. Es gibt den Farben Leuchtkraft. Grellrot prangt der Hummer auf dem blank geriebenen Silberteller, orange und gelb heben sich die Apfelsinen- und Zitronenstücke von den blauweißen Fayenceschüsseln ab, und - kunstvoll zusammengebastelt - schmückt das Federkleid eines Truthahns die Mitte der Tafel. Die Augen sollen mitessen, und das mit doppeltem Recht, wenn sie Malern gehören. „Haben wir ein Glück mit dem Wetter“, sagt der Hausherr Reynier Vermeer vergnügt, „besser könnte man es sich gar nicht wünschen.“ „Ein gutes Omen für einen so bedeutungsvollen Tag“, nickt der greise Ohm Pieters. Doch seine Frau, die rundliche Geertje, sagt: „Ach was, an unserm Hochzeitstag hat es in Strömen gegossen, und sind wir etwa nicht glücklich geworden?“ Herausfordernd hochgereckt, das Doppelkinn an den gestärkten Mühlradkragen gepresst, wartet sie auf die öffentliche Bestätigung durch ihren Mann. Dem macht es Spaß, die Antwort hinauszuzögern. In seinem hageren Gesicht verlagern sich die Falten zu einer gewichtigen Miene, hinter der der Schalk lauert. „Und wie!“, bestätigt er dann mit einem Ernst, der die Gesellschaft zum Lachen bringt. Schon dringt der Duft gebratenen Geflügels verführerisch aus der Küche herüber, sodass den Gästen das Wasser im Mund zusammenläuft. Ob auch Tauben dabei sind? Gleich wird man auftragen. Jetzt ist der richtige Augenblick, denkt Leonard Bramer und gibt sich einen Ruck. Jetzt! Und dann beginnt er seine Hochzeitsrede, die er mit einem effektvollen Schluss und einem wertvollen Geschenk für die Braut beendet – einem Perlohrgehänge, das im Weiteren noch eine wichtige Rolle spielen wird. Nach der Lektüre dieses Vermeer-Romans sieht man seine Bilder mit anderen, wissenderen Augen an.

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