Auf der Jagd nach Fisch und Fetisch
Legimi
Wie kam eine viktorianische Lady ausgerechnet auf die verrückte Idee, ins Grab des weißen Mannes zu reisen, zeigte sich doch schon die Karte von Westafrika in Rabenschwarz, von Sierra Leone bis über den Kongo hinaus. Eine deutliche Warnung, um die sich Mary Kingsley jedoch wenig scherte. Mit ihren 30 Jahren galt die Viktorianerin als "alte Jungfer", von der man keinesfalls erwartet hätte, dass sie ihren Seesack packt, einen alten Kohlendampfer besteigt und in der Gesellschaft trinkfester Händler alleine nach Westafrika fährt. Was sie auf ihren abenteuerlichen Reisen (1893 bis 95) an der Küste, in den krokodilreichen Flüssen und Mangrovensümpfen, in den Dörfern der kannibalischen Fang oder hoch oben auf dem Kamerunberg erlebte, hielt sie in Briefen, Buschjournalen und Tagebüchern fest. Ihre erste Begegnung mit Eingeborenen fand Miss Kingley allerdings erschreckend. Als in Tabu plötzlich eine Horde tätowierter schwarzer Männer an Bord erschien, flüchtete sie in ihre Kabine, wo bereits ein paar spärliche bekleidete Gentlemen ihre Koffer durchwühlten, ihre Käfersammlung begutachteten und die Funktion ihrer Zahnbürste erkundeten. Die gefährlichen "Wilden" entpuppten sich jedoch als freundliche Kru, denen Mary Kingsley in Westafrika öfter begegnete als einem Krokodil, Elefanten oder einem Nilpferd. Um ihre magere Reisekasse aufzubessern, marschierte sie mit einer Warenkiste voll Tabak, Schnaps und allerlei Krimskrams durch den Urwald. Als Buschhändlerin saß sie als Ehrengast am abendlichen Feuer, palaverte mit den Häuptlingen, entlockte dem Hexendoktor ein paar Fetischgeheimnisse und feilschte geschickt um den besten Preis für Rohgummikugeln und Elfenbein. Gefährliche Situationen, bei denen ein Haudegen wie Stanley wohl um sich geschossen hätte, löste Mary Kingsley mit "stundenlangem Palaver und etwas Tabak". Trotz ihrer Begeisterung für Westafrika, fragte sich die Lady gelegentlich selbst: "Was mache ich kapitaler Esel eigentlich in diesem Land"?
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