Umberto

Umberto

Legimi

Umberto, Schüler einer sechsten Klasse in einer typisch sächsischen DDR-Schule, hat keinen Ranzen, keine Hefte, aber ein, zwei Bücher, die er vor seiner Mutter versteckt, um sie vor dem Verfeuern zu bewahren. Vor Lehrern und Mitschülern, die von ihm sagen, dass er stinkt, spielt er den Clown, um auf sich aufmerksam zu machen und Zuwendung zu finden. Er stellt schließlich alles an, dass auch die staatliche Jugendhilfe sich seiner annimmt. Seine Flucht "nach Afrika" endet schließlich dort, wo er längst hin will: In einem Kinderheim, und das ist nicht das Schlechteste, was einem wie ihm passieren kann. LESEPROBE: Bekanntschaft mit dem nackten Helden. Umberto beweist seine zwanglose Haltung zu schulischen Pflichten und erfährt bitteres Unrecht. Ein Kumpel von besonderer Sorte. Da hockt er in der Wanne, Umberto Medock, ein nackter Mensch-Anfänger, kratzt sich einen Schorf vom Knie, wundert sich, dass er im Sitzen Querfalten im Bauch hat, und erklärt einer nassen Herbstfliege, die er im Deckel vom Badeshampoo gondeln lässt: »'ne Badewanne. Wanne, Klobecken, Gasboiler, alles neu. Gestern waren sie vom Kreis hier, verstehst du, die Frau Jugendhilfe, und die Monteure haben die Rohre gelegt.« Er blinzelt sich den klebrigen Schlaf aus den Augen. Seine Unterlider sind von Fältchen geknifft, die dem Jungengesicht einen listigen, übermüdeten Ausdruck verleihen, wie man sie sonst bei Kindern nicht sieht. Insgesamt jedoch - kein übler Anblick, dieser Umberto Medock. Jetzt leert er mit entschlossenem Daumendruck die Shampooflasche bis zum Grund und beginnt mit dem Küchensieb Schaum zu schlagen. Gewaltig ist die Wirkung: Erst quillt die Wanne über, dann fliegen die Schaumfetzen, weiß, weiß, weiß, setzen sich auf die Windeln, die zum Trocken hängen, auf die Wand. Umberto glitscht aus dem Wasser, öffnet das Fenster und schaufelt mit dem Sieb das weiße Zeug hinaus in den Oktoberregen. Durch die Frongasse kommen zwei geblümte Kinderschirme angequirlt. Unter dem einen blitzt ein signalgelber Anorak: Aleksandra Krautwein, die Neue in der 6c, der Klasse, die auch Umberto besucht. Hihi. Besucht. Fein ausgedrückt. Der andere Schirm gehört dem wundergottbraven, gescheiten, pünktlichen Raul Fiebig. Die zwei sind bereits dicke Tinte, sie haben ihre Ranzen aneinandergeknotet und tragen sie am Riemen zwischen sich.

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