Die Klinik am See 31 – Arztroman
Legimi
Besonders beliebt bei den Leserinnen von Arztromanen ist der Themenbereich Frauenklinik. Gerade hier zeigt sich, wie wichtig eine sensible medizinische und vor allem auch seelische Betreuung für die Patientinnen ist, worauf die Leserinnen dieses Genres großen Wert legen. Die große Arztserie Klinik am See setzt eben dieses Leserinteresse überzeugend um. Britta Winckler ist eine erfahrene Romanschriftstellerin, die in verschiedenen Genres aktiv ist und über hundert Romane veröffentlichte. Die Serie Die Klinik am See ist ihr Meisterwerk. Es gelingt der Autorin, mit dieser großen Arztserie die Idee umzusetzen, die ihr gesamtes Schriftstellerleben begleitete. Sie selbst bezeichnete ihre früheren Veröffentlichungen als Vorübungen für dieses grandiose Hauptwerk. Ein Schriftsteller, dessen besonderer erzählerischer Wunsch in Erfüllung geht, kann mit Stolz auf sein Schaffen zurückblicken. "Mami, es regnet!" Christian stand mit diesem Schreckensruf in der Tür zum Schlafzimmer seiner Mutter, und seine helle Jungenstimme deutete bereits an, was diese Tatsache an Ärger in den beginnenden Tag tragen würde. Pia Huber richtete sich in den Kissen auf, strich das Haar zurück und blickte ihrem kleinen Sohn entgegen, welcher, licht und blond, so wenig zum Ausrufer schlechter Nachrichten geeignet schien, wie ein heller Sonnenschein. "Du hast schon Tee gemacht?" fragte sie lächelnd und ignorierte erst einmal seinen Hinweis auf das Wetter, um seinem ernsthaften Bemühen zuzusehen, mit dem er nun das Tablett mit dem dampfenden Teebecher darauf auf ihr Bett zutrug. Und während sie ihm behilflich war, es sicher abzusetzen, sagte sie: "Wie lieb von dir", und ihre zärtliche Hand streichelte seinen blonden Kopf. Einen Moment spiegelte sein rundes Kindergesicht die stolze Freude wider, welche das Lob in ihm auslöste, dann aber wiederholte er mit Nachdruck: "Mami, es regnet!" Und der Ausdruck seiner blauen Augen geriet zu der Ratlosigkeit, welche sie beide täglich aufs Neue erfüllte. "Ja, Liebling, ich weiß." Pia versuchte ihrer Stimme einen gelassenen Ton zu geben und führte doch etwas angestrengt den Teebecher zum Mund. Dem normalen Tag zu begegnen, war seit kurzem zur ständigen Anstrengung geworden, aber mit Regenwetter nahezu unerträglich. Hatte sie einen Fehler gemacht, als sie nach ihrer Scheidung das kleine Häuschen mit dem Andenkenladen angemietet hatte, um für sich und ihren kleinen Sohn eine neue Existenz zu schaffen? Pia starrte ratlos auf die Blumenranken des geschlossenen Fenstervorhangs, welche unter dem grauen Morgenlicht so müde, farblos und unbewegt wirkten, als hätte auch sie jeder Mut verlassen. Dabei hatte am Anfang alles so ideal ausgesehen, wie eine Art unverhoffter Glücksfall. Die Lage des Häuschens an der Zufahrtstraße zum See, die täglichen Ausflügler, die mit der Regelmäßigkeit lufthungriger Städter auftauchten, um am Seeufer spazierenzugehen. Auf dem Weg dorthin aber verweilte so mancher vor ihrem Laden, um eine kleine Erinnerung aus ihrem Andenkensortiment mit nach Hause zu nehmen. Pia seufzte. Wie hatte sie nach diesem hoffnungsvollen Start auch ahnen können, daß der kürzlich erfolgte Baubeginn der nördlichen Umgehungsstraße gerade auf ihre nervlichen Kosten gehen würde? "Soll ich die Vorhänge aufziehen?"
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